Führungsstile verändern sich im Laufe der Zeit – das kann man mit Sicherheit behaupten. So stand in den 1980er Jahren die Optimierung durch schlanke Prozesse im Vordergrund. Die 90er Jahre wurden von CEOs mit starkem Vertriebs- und Marketinghintergrund dominiert, was sich vor allem in der sich damals stark entwickelnden Telekommunikationsbranche zeigte. Wachstum und Investitionen standen im Vordergrund. Darauf folgte die Notwendigkeit der Konsolidierung und Straffung, so dass die Controller ab 2000 übernahmen.
Für die nächste Generation von CEOs stelle ich die These auf, dass technische Hintergründe relevant werden, insbesondere Manager aus dem IT-Sektor. Es handelt sich um eine neue IT-Generation, die zuerst Methoden zur Bewältigung sich schnell verändernder Umgebungen einführte. Agile, Rapid Prototyping, Scrum, Trial-and-Error und andere iterative Methoden – um nur ein paar Schlagworte zu nennen. Das erkennt man an den CEOs der typischen “digitalen Riesen”, bei denen die Tatsache, dass IT-Experten zu Chefs werden, keine große Überraschung ist.
Leadership im Wandel
Der oben skizzierte Wandel und die damit einhergehende enorme Komplexitätssteigerung haben dazu geführt, dass bewährte Vorgehensweisen nicht mehr ausreichen. Auch die Bedeutung der Geschwindigkeit hat stark zugenommen – Stichwort: Time2Market Accelaration. Es gibt aber in der Regel keine Standardprodukte und keine genormten Vorgehensweisen. Daher müssen Skills zu Kompetenzen gebündelt-, zu einem Team geformt- und zu Ergebnissen orchestriert werden, um pionierhafte Wege zu beschreiten. Diese pionierhaften Vorgehen erzeugen allerdings oft Unsicherheit, der man mit Vertrauen und Motivation begegnen können muss. Die Herausforderung stellt eben nicht bloß eine Veränderung von bestehenden Prozessen dar, es muss auch eine Weiterentwicklung des Mindsets und der Kultur erfolgen. Optimalerweise beginnt diese im Management.
Differenzierung zwischen Management und Leadership
„Wenn Management bedeutet, eine Leiter möglichst effizient und effektiv hinaufzusteigen, dann bedeutet Leadership, die Leiter an die richtige Wand zu stellen.“ Dieser Satz beschreibt für mich die Quintessenz des Unterschieds zwischen Management und Leadership. Ich halte diese Differenzierung für überaus wichtig, um auf gegensätzliche Anforderungen eingehen zu können und das Spannungsfeld von Sicherheit und Zuverlässigkeit gegenüber Kreativität, Innovation und Unklarheit aufzulösen.
Gartner empfiehlt diesen Ansatz ebenfalls und beschreibt ihn mit zwei Aspekten:
- „Pace-layered Application Strategy“: Systeme, Applikationen werden unterteilt in „Systems of Records” (Finanz, Sicherheit, etc.) und „Systems of Innovations“ (Digitale Touchpoints, Customer Services, etc.). Die einen werden vorwiegend nach Waterfall und die anderen nach Agile entwickelt.
- „Bimodale IT und Organisation“: zwei Organisationsformen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Kulturen. Etablierung der CDO Rolle und Beauftragung der „Digitalen Transformation“ des Unternehmens.
Differenzierung als Chance und Herausforderung
Differenzierung stellt für das Management eine zusätzliche Herausforderung dar, da alles was geteilt wird, am Ende auch wieder zusammengeführt werden muss – organisatorisch, hierarchisch und oft auch technisch. Das intensiviert den Führungs- und Architekturanspruch an uns. Die “Sandwich-Management”-Zeiten, in der es einen klaren Auftrag gab, der dann vom Team in einem abgesicherten Zeit- und Budgetrahmen umgesetzt wurde, schwinden zunehmend. Heute kann der Auftrag von oben schon mal so lauten: „Rette das Unternehmen – und das bitte schnell“. Vom Team kommt dann als Antwort: „Ob das so funktioniert, wissen wir nicht“. Da braucht es Führung. Einerseits müssen die Stakeholder gemanaged- und andererseits das Team durch Vertrauen und Motivation gestärkt werden.
Wenn das Team auf Sie mit lauter Fragezeichen zukommt und Sie auch nicht wissen, wie etwas gelöst werden kann, dann müssen sie authentisch und mit vollster Überzeugung sagen können: „Heute wissen wir es noch nicht, aber ich glaube an die Fähigkeiten jedes Einzelnen von euch und an die Entfaltung neuer Kompetenzen innerhalb unseres Teams. Daher weiß ich, dass wir es schaffen werden! Und jetzt gehen wir nach Hause, nehmen etwas Abstand und verinnerlichen diese Phase der Ungewissheit. Weil wenn wir es dann geschafft haben, war das genau jener Moment, der die Sache so richtig groß für euch gemacht hat. Und daraus entstehen Geschichten, die ihr noch euren Enkelkindern erzählen werdet!”
Weitere Herausforderungen
Ein geflügeltes Wort, das den heutigen Arbeitsmarkt sehr treffend beschreibt, ist “War For Talents und Resources”. Es reicht längst nicht mehr aus Jobanzeigen zu schalten, in denen die Vorzüge des Arbeitgebers aufgelistet werden, um die benötigten Mitarbeiter mit hoher Expertise zu bekommen. Die zunehmende Nachfrage an Expertenwissen und der steigende Mangel an Fachkräften haben den „Zustrom“ verringert und den Bewerbern und Anbietern mehr Selektionsmöglichkeiten eingeräumt. Die Personalabteilungen stellen mittlerweile auch schon fest, dass ein Rollup und Kugelschreiber im Goodie-Bag bei der Berufsmesse wahrscheinlich nicht ganz ausreichen werden, um die qualitativ hochwertige Arbeitskräfte für sich begeistern zu können. Auch hier braucht es Leadership: der Manager von früher hat beim Antritt aus seinem Netzwerk 1-3 „vertraute Experten“ mitgenommen. Dem Leader von heute gelingt es, dass Experten in seiner Organisation arbeiten wollen. Er stellt sein Team vor den Vorhang und macht sich für Talente sichtbar und zugänglich (beispielsweise über soziale Medien).
Zudem findet ein Generationswechsel statt. Einerseits durch die Pensionierungswelle und vor allem durch die stark veränderten Ansprüche der Digital Natives und Millenials. Junge Leute haben nicht mehr die Perspektive in ein und demselben Unternehmen jahrzehntelang bis zur Pensionierung zu arbeiten und planen beruflich maximal für 5-10 Jahren in einer Firma ein. Die Erwartung an die Rahmenbedingungen und der Anspruch einer ausgewogenen Work-Life-Balance zwingen Arbeitgeber offener, vielfältiger und individueller zu werden. Mängel in diesem Bereich können immer seltener durch ein erhöhtes Gehalt in Form eines „Schmerzensgelds“ kompensiert werden.