Thomas, worin liegen deine beruflichen Kernkompetenzen?
Ich bin vorwiegend im operativen Management von erfolgskritischen Softwareentwicklungsprojekten, vorzugsweise mit agilem Vorgehen tätig und übernehme dort Aufgaben im Projekt- bzw. Delivery-Management. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich Agile Coaching und Aufbau von tragfähigen, agilen Softwareentwicklungsorganisationen, auch im skalierten Umfeld.
Was bedeutet Agiles Vorgehen für Dich?
Agile Vorgehensmodelle in der Softwareentwicklung sind schon lange kein Trend mehr, sondern haben sich als quasi Standard etabliert. So gibt es kaum ein Unternehmen, das sich nicht der Agilität als Bezeichnung für die eigene Arbeitsweise bedient.
Häufig werden jedoch gängige (und zu Recht als erfolgreich bezeichnete) Vorgehensmodelle über Organisationen gestülpt, ohne dabei auf die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens und seines Kerngeschäfts zu achten – mit entsprechenden Folgen. Die erwarteten positiven Effekte (wir werden schneller, günstiger, lieferfähiger) treten nicht ein, oft sind sogar gegenteilige Entwicklungen zu beobachten.
Für mich bedeutet Agilität daher:
• Erkennen, wo sich eine Organisation aktuell in ihrer steten Weiterentwicklung mit Stärken und Schwächen befindet und was der nächste Schritt in Richtung der erwarteten Optimierung sein kann.
• Flexibilität auf veränderte Bedarfe eingehen zu können
• Schnelligkeit in der Realisierung von notwendigen Anpassungen
Agile Methoden geben uns dafür Werkzeuge in die Hand und mögliche Arten sie zu verwenden – der wirkliche Mehrwert liegt aber darin sie individuell und an die speziellen Bedürfnisse der Organisation/des Unternehmens anzupassen.
Halten Agile Methoden denn, was sie versprechen?
Umfangreich literarisch beschriebene Agile Vorgehensmodelle bieten eine anscheinende Abkürzung an, die sich für die meisten Organisationen aber rasch als teure Falle erweisen – sie passen einfach nicht zur Kultur, zu den Strukturen, Mitarbeiter:innen oder auch Kund:innen.
Viele Unternehmen wären gerne wie Spotify, werden es aber nie sein und übersehen dabei ihr eigenes Potential im Versuch andere zu imitieren. Dabei war das Spotify-Modell beim Erfinder bereits veraltet als es veröffentlicht wurde.
Die Stärke von Spotify lag und liegt nämlich nicht darin, dass sie ein Modell erfunden und strikt befolgt haben. Sondern, der Erfolg wird durch laufende Weiterentwicklung der eigenen Arbeitsweise ermöglicht.
Agiles Vorgehen bedeutet, die eigene Situation einschätzen zu können und sich organisch weiterzuentwickeln. Erfolgreiche agile Organisationen sind stark darin, schnell aus Erfahrungen (Erfolg und Misserfolg) zu lernen und sich laufend anzupassen. Außerdem setzen sie beinahe kompromisslos auf das volle Potential ihrer Mitarbeiter:innen.
Kurze Entwicklungszyklen, kleine Teams mit viel Eigenverantwortung, frühes und häufiges Liefern von Output, etc. All das sind nur Ausprägungen einer auf Lernen und flexibles Anpassen ausgerichteten Kultur, die sich nicht vor Fehlern scheut. Diese Kultur entsteht nicht von allein und muss im Rahmen einer agilen Transformation Schritt für Schritt geschaffen werden.
Aus meiner Sicht sollten sämtliche Vorgehensmodelle als mögliche Anleitungen zur Selbsthilfe gesehen werden – nicht mehr und nicht weniger.
Würdest Du ein bestimmtes Vorgehensmodell empfehlen?
Aus den bislang genannten Gründen, ein klares Nein. Die erfolgreichsten Projekte, die ich begleitet habe, setzten stets auf ein angepasstes Vorgehen, welches sich unterschiedlicher Modelle bediente und ein „Best of“ von Methoden einsetzte.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt nämlich nicht im Vorgehensmodell, sondern ob es gelingt die eigene Organisation nach agilen Prinzipien auszurichten.
Ein wesentlicher Faktor dabei sind die Menschen, die eine Organisation ausmachen. Einerseits muss die Führung eine agile Unternehmenskultur fördern und unterstützen, andererseits müssen alle Mitarbeiter:innen diese Kultur auch leben wollen.
Damit das gelingt, sollte auf ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation gesetzt und diese Verantwortung auch im Bewusstsein der Mitarbeiter:innen verankert werden. Speziell in traditionell geführten Unternehmen stellt dies eine große Herausforderung für Management und Mitarbeiter:innen dar und kommt einem ständigen Balanceakt gleich.
Weitere Erfolgsfaktoren sind stete und ausdauernde Kommunikation sowie klare Prozesse ohne diese auch agile Organisationen keinesfalls auskommen.
Was wären die wichtigsten Empfehlungen, die du Unternehmen für ihre Agile Reise mitgeben würdest?
Da gäbe es viele, aber wenn ich mich auf wenige, elementare Punkte beschränken müsste….
• Flache Hierarchien
• Agilen Prinzipien gehen vor Vorgehensmodellen
• Klein starten
• Messbarkeit der Organisation/Auswirkungen von Anpassungen sicherstellen
• Überschaubare Änderungen, einfachere, schnellere Bewertung von Erfolg/Misserfolg
• Transparente, wenn auch leichtgewichtige Prozesse
• Kommunikation mit viel Geduld und Ausdauer
Über den Autor
Thomas Wilfling ist Geschäftsführer und Gründer der Firmen Glas Box Collaborative Solutions GmbH mit Sitz in Niederösterreich und MindFly Technologies Kft. in Budapest, Ungarn. Er verfügt über 18 Jahre IT Expertise in unterschiedlichen Branchen wie Öffentlicher Verkehr, Gesundheit und Soziales, Energie, IT-Dienstleistungen und IT-Consulting.
Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen IT Projektmanagement/Delivery Management, Business-Analyse, Agile Vorgehen/Aufbau von agilen Softwareentwicklungsorganisationen und Coaching im Rahmen von Agilen Transformationen.
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